Home
Biografisches
Gedrucktes
Gesprochenes
Kontakt/Impressum



Gesprochenes

 

Das Humboldt-Forum
in Berlin

Berliner Baustellen sind ein Kapitel für sich. Der Flughafen BER ist mehr als 1000 Tage nicht eröffnet, die Arbeiten an der Staatsoper Unter den Linden hinken ebenfalls dem Zeit- und Kostenplan hinterher, und auch beim Bau der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes geht es nicht so recht voran. Einzig das Humboldt-Forum scheint sich - zumindest äußerlich - mehr und mehr dem anzunähern, was vor Jahren geplant wurde.

Im Jahr 2007, lange vor dem ersten Spatenstich für den Wiederauf- beziehungsweise Neubau des einstigen Berliner Stadtschlosses, habe ich für das Inforadio vom rbb eine Reportage produziert. Sie befasste sich mit den Steinmetz-Arbeiten für die historische Schlossfassade. Das Manuskript fiel mir jetzt wieder in die Hände, angeregt durch die Lektüre eines Artikels in der Süddeutschen...

Das war die Anmoderation:


Das Berliner Schloss wird gebaut. 2010 soll es los gehen. Was kaum jemand weiß: Die Vorbereitungen für die Rekonstruktion der alten Fassade laufen schon seit Jahren – obwohl die endgültige Entscheidung erst vor wenigen Wochen gefallen ist.


Der Grund: Es sind kaum barocke Originalstücke erhalten. Das meiste müssen moderne Bildhauer in mühsamer Handarbeit neu herstellen. Und die Zeit drängt: Viele Teile haben tragende Funktion am Bauwerk und werden deshalb von Anfang an auf der Baustelle benötigt. Nina Zimmermann hat einigen Steinmetzen bei der Arbeit zugesehen.

 

Und so ging der Beitrag los:

 

#atmo Körner knistert mit Folie#


#OT 1 Körner: also, ich nehm jetzt hier mal die Folie ab, ja? Und was da drunter vorkommt, ist die Originalversion der Borussia, eine der Flankenfiguren vom Schlüterhof…#

 

Matthias Körner steht in seinem kleinen Pankower Hinterhofatelier. Der Bildhauer enthüllt eine raumhohe Figur aus Ton. Ihren Rumpf hat er aus Ytong-Blöcken und Maschendraht gebaut. Mit Ton formt er jetzt die Details: Der Kopf der Statue ist noch ein etwas grober, konturenloser Klumpen. Die weiblichen Formen und der Faltenwurf ihres Rocks sind dagegen schon gut erkennbar.


Die Borussia steht in einer düsteren Ecke des Ateliers. Zwischen Gipswürfeln und Tonpaketen, Säulenköpfen, barocken Türbögen und Adlerfiguren. Körner knipst eine Deckenlampe an und schnappt sich einen Pinsel.

 

#atmo Wasser pinseln auf Ton# 

 

Schon seit Wochen arbeitet er an diesem einen Modell. Die Borussia ist die Symbolfigur des Königreich Preußens und eine der konzeptionell bestimmenden, immer wiederkehrenden Elemente am Berliner Schloss. Wieder und wieder taucht Körner den Pinsel in einen Eimer Wasser. Und benetzt das Kleid der Statue.

 

#OT 2 Körner: …ich möchte aber verschiedene Partien, an denen ich arbeite, gar nicht so feucht haben. Die zum Beispiel hat schon ne Festigkeit, wo ich also gut überarbeiten kann, ne, hier unten ist noch enorm weich, ja, also, da da wünsche ich mir dann, dass es ein bisschen austrocknet, ne,…#

 

Zur Orientierung hat Körner an der Wand ein altes, raumhoch vergrößertes Foto der Borussia befestigt: eine stattliche Frau mit wallendem Gewand.


Die Figur ist eines der ersten Stücke in Originalgröße für die Schlossfassade. Von dem Tonmodell wird später ein Gipsabguss genommen. Der dient schließlich als Vorlage für andere Bildhauer, die alles eins zu eins in Stein übertragen.


#atmo Wasserplanschen#

 

Pläne oder Skizzen aus der ursprünglichen Bauzeit im 17./18. Jahrhundert oder Fotos kurz vor dem Abriss des Schlosses 1950 gibt es kaum noch. Daher muss Körner Details, die er nur erahnen kann, sinngemäß ergänzen. Dabei hilft ihm seine lange Erfahrung als Steinrestaurator.


Unablässig drückt und streicht er über den Faltenwurf. Hier und da klatscht er kleine Tonklumpen an. Mit matschigen, von gräulichem Schlamm bedeckten Fingern knetet er am Rocksaum herum.

 

#OT 3 Körner: …das ist zeigt auch noch mal das malerische Konzept, also das ist ja immer dieses, äh, dieses Modellieren, dann wird das, also, ist meine Technik, ja, also, die habe ich auch aus dem Barock ein bisschen übernommen, dann wird das mit Pinseln, wird das alles weich gemacht…ich mach auch viel mit den Händen…jede Feinheit wird mit den Fingern noch mal auf den Punkt gebracht…ja, in dieser Mischung, Werkzeuge, Pinsel, reines Arbeiten mit der Hand, entsteht so Stück für Stück, ja, eigentlich ein schönes Verfahren…#

 

#atmo Wasserplanschen geht in atmo Atelier über#

 

Körners Bildhauer-Kollege Stefan Werner-Schmelter steht in einer anderen Atelier-Ecke mit dem Architekten York Stuhlemmer. Der Architekt kommt regelmäßig vorbei, um zu sehen, wie die Steinmetze voran kommen. Werner-Schmelter hat gerade das Relief für einen Fensterbogen fertig gestellt.

 

#OT 4 Werner-Schmelter: Im Grunde können Sie es abnehmen.

Stuhlemmer: Ja, im Grunde könntet ich es abnehmen.#

 

Stuhlemmer koordiniert im Auftrag des Fördervereins Berliner Schloss alle nötigen Vorarbeiten für die historische Fassade: Alte Baupläne aufspüren, historische Fotos ausfindig machen, nach erhaltenen Fassadenteilen forschen. Und eben mit den Bildhauern fehlende Stücke rekonstruieren.


Er zeigt auf das Ton-Relief mit Schwertern, Brustpanzer und dem Helm eines Kriegers.

 

#OT 5 Stuhlemmer…ich fand ja wichtig, dass diese Waffen, die oben um diese Rüstung herum stehen,… ich könnte mir vorstellen, dass es noch ein bisschen mehr sein könnte.

WS: Noch mehr?!

S: Mhm… Ganz entscheiden fand ich ja den Gedanken, dass, wenn man sich dieses Relief von weiter unten anschaut, das hängt ja ungefähr in 20 Metern Höhe, dass sich das nach oben hin auch ein bisschen wegsieht durch die Verzerrung, von unten guckend… das könnte meiner Meinung noch ein bisschen weiter rauskommen…

WS: Das kann ich probieren. Aber ick bin davon nich so überzeugt.

S: Haha, ich weiß…#

 

Der Architekt will, dass die einzelnen Elemente des Reliefs noch plastischer hervortreten. Und deutet auf eine kleinere, etwa 40 mal 20 Zentimeter große Version des Reliefs, die nebendran auf einer Staffelei steht – ein so genanntes Modellino.

 

#OT 6 Stuhlemmer: …dieses Modellino, wenn ich mir das angucke, hier passiert genau das, was ich in dem großen Modell vermisse. Hier bricht es…#

 

Überall im Raum stehen solche Modellini. An diesen kleinen Modellen aus Ton oder Gips üben die Bildhauer Details der Schlossfassade darzustellen – Körner seit fünf, Werner-Schmelter seit drei Jahren. Skizzen der Schlossfassade und vergrößerte Fotos, die an allen Wänden hängen, geben ihnen Anhaltspunkte. Erst wenn jede Einzelheit im Kleinen sitzt und die Proportionen stimmen, formen sie das Modell in Originalgröße.

 

#OT 7 WS: ist jetzt das siebte. Erst die zwei Adler, Bukranion, Kapitell, diese Bozettos, drei Stück. Das ist jetzt das erste dieser sieben Ausführungen eins zu eins…Das Gestalten, das Nachschöpfen der alten Sachen, vom Foto in die Dreidimensionalität zu gehen, das ist wirklich schon ne spannende Sache, sich damit auseinanderzusetzen.#

 

Die beiden Mit-Fünfziger Werner-Schmelter und Körner haben jahrelang barocke Steinskulpturen restauriert. Und daher ein Gefühl dafür, wie die alte Schlossfassade ausgesehen haben könnte. Nach ihren Modellen hauen andere Steinmetze detailgetreu Stücke aus Stein für das neue Schloss.


#atmo Steinklopfen# 

 

Ein paar Straßen weiter, auf dem Hof neben seinem Werkstatt-Schuppen, kopiert Carlo Wloch gerade einen Säulenkopf aus Körners Werkstatt. Durch eine große, runde Stahlbrille blickt der Restaurator mit dem wettergegerbten Gesicht auf Körners Gipsmodell. Es ist ein etwa 1 Meter 50 mal 1 Meter 50 großes Kapitell im ionischen Stil fürs Schloss.


Er hantiert mit einer Art riesigem Zirkel, von dem ein Teleskoparm nach unten ragt. Daran ist ein langer, spitzer, beweglicher Metallstab angebracht.

 

#OT 8 Wloch: …also, wie jetzt hier dieses Punktiergerät steht, auf diesem Gipsmodell, such ick mir jetzt nen Punkt. Diesen will ick nehmen, ne. Zieh also diese Nadel wieder zurück.#

 

Wloch setzt das Gerät an einer noch unfertigen Seite des Sandsteinwürfels an, der gleich neben dem Gipsmodell steht. Der Stein kommt aus Cotta im Elbsandsteingebirge – wie alle Stücke, die einmal die Schlossfassade werden sollen.

 

#OT 9 Wloch: Nehm dieses Jerät, das mach ick bei dem Kapitell ungefähr 1000 Mal, so bis hierher, und jetzt zeig ick mit meiner Nadel, such ick mir diese Stelle. Und bis dahin muss ick diesen Stein weghauen... (demonstriert das Meißeln) Dann nehm ich meinen Meißel. Denn habe ich hier dieses Maß und denn muss ick hier vorne so lange kloppen, bis… (Klopfgeräusche)#

 

Viele unfertige Bildhauerstücke - Grabsteine, Kreuze - stehen bei Wloch im Hof. Doch die müssen wohl noch länger auf ihre Fertigstellung warten. Für das Kapitell braucht er insgesamt vier Monate. Sieben weitere soll er noch herstellen. Erstmal.

 

#OT 10 Wloch: Jetzt kommt ja nu dieses Schloss und… ich denke schon, dass, wenn ich gesund bleibe, es bis zur Rente ist. Also noch zehn Jahre.# 


[Audio-Fassung folgt demnächst]


(c) Nina C. Zimmermann


angeregt durch diese Lektüre:

www.sueddeutsche.de/kultur/inhalte-auf-der-konzept-baustelle-1.2426354


zuletzt aktualisiert am 12.02.2018